Ist eine Verlobung rechtlich bindend?

Ist eine Verlobung rechtlich bindend?

10.08.2017 von henning
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Ich hab Mist gebaut! An ihrem Geburtstag im März habe ich meiner Freundin einen Antrag gemacht. Seitdem sind wir verlobt. Aber ich merke, dass ich gar nicht so richtig heiraten möchte und auch nicht mehr so für sie empfinde wie früher. Kann ich die Beziehung noch unkompliziert lösen, oder ist die Verlobung schon irgendwie rechtlich bindend? Brauche ich da jetzt einen Anwalt??

Antworten: 2

Beste Antwort
jurafan
jurafan 10.08.2017

Das ist ja eine eher unangenehme Situation, in die du dich da hineinmanövriert hast. Da du offensichtlich vorhast, dich von deiner jetzigen Verlobten zu trennen, musst du dir um den schlimmsten Schaden, nämlich den Vertrauensbruch bei der Lösung eurer Verlobung, wohl eher keine großen Sorgen machen. Meine Vorrednerin Verbena hat das schon ganz gut zusammengefasst - ich möchte dir aber ein wenig "mehr" bieten und die Zusammenhänge genauer darlegen - auch für andere frisch verlobte, die von der Verlobung vielleicht nicht mehr so begeistert sind.

Die rechtliche Seite der Verlobung: Vorteile und Pflichten

Zunächst einmal ist die Verlobung in der heutigen Zeit nicht viel mehr als das Versprechen auf eine lange, innige und in sich schützende Verbindung durch Heirat. Mit der Verlobung ergeben sich sowohl Rechte als auch Pflichten - und die sollte man kennen.

Was sagt der Gesetzgeber über die Verlobung?

Bis vor wenigen Jahrzehnten war das Verlöbnis eine rechtlich folgenschwere Sache und konnte nicht einfach so, wie heute üblich, einfach gelöst werden. Wollte man früher die Verlobung, aus welchen Gründen auch immer, aufheben lassen, musste das sogenannte "Kranzgeld" bezahlt werden. Eine Art Entschädigungszahlung für den Verlassenen / die Verlassene und deren Familie. Dieses Gesetz ist heute, zum Glück für viele Menschen, so nicht mehr gültig. Es traten andere, ergänzende Gesetze in Kraft, die auch heute noch ihre Gültigkeit haben.

Lösung des Verlöbnisses auf zivilrechtlicher Ebene

§ 1297 BGB (Nichteinklagbarkeit, Nichtigkeit eines Strafversprechens)

  • (1) Aus einem Verlöbnis kann nicht auf Eingehung der Ehe geklagt werden.
  • (2) Das Versprechen einer Strafe für den Fall, dass die Eingehung der Ehe unterbleibt, ist nichtig.

Aus den Absätzen 1 & 2 ergibt sich, dass die Erfüllung und damit der Vollzug des Eheversprechens weder eingeklagt werden kann noch dass sich durch die Nichterfüllung eine Strafbarkeit ergeben könnte. Was das anbelangt, kannst du also sorgenfrei sein. Wesentlich relevanter ist da schon der nachfolgende Paragraf aus dem bürgerlichen Gesetzbuch (BGB):

§ 1298 Ersatzpflicht bei Rücktritt von dem Verlöbnis

  • (1) Tritt ein Verlobter von dem Verlöbnis zurück, so hat er dem anderen Verlobten und dessen Eltern sowie dritten Personen, welche anstelle der Eltern gehandelt haben, den Schaden zu ersetzen, der daraus entstanden ist, dass sie in Erwartung der Ehe Aufwendungen gemacht haben oder Verbindlichkeiten eingegangen sind. Dem anderen Verlobten hat er auch den Schaden zu ersetzen, den dieser dadurch erleidet, dass er in Erwartung der Ehe sonstige sein Vermögen oder seine Erwerbsstellung berührende Maßnahmen getroffen hat.
  • (2) Der Schaden ist nur insoweit zu ersetzen, als die Aufwendungen, die Eingehung der Verbindlichkeiten und die sonstigen Maßnahmen den Umständen nach angemessen waren.
  • (3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn ein wichtiger Grund für den Rücktritt vorliegt.

Das bedeutet im Klartext folgendes:

  • Zu (1): Wenn eine Verlobung stattgefunden hat und dafür Aufwendungen getätigt wurden (Schmuck, Kleidung, Saalmiete für die Verlobungsfeier etc.), müssen diese durch den das Verlöbnis lösende Verlobten grundsätzlich an den Finanzier erstattet werden. Selbst ein Lohnausfall müsste theoretisch ersetzt werden, wenn aufgrund der Verlobung eine Arbeitsstelle gekündigt wurde.
  • Zu (2): Es dürfen keine utopischen Summen zurückverlangt werden. Zu beachten ist hier die Verhältnismäßigkeit, mit der die Verlobung einhergehen sollte.
  • Zu (3): Wird die Verlobung beispielsweise wegen Untreue, Vortäuschung falscher Tatsachen etc. gelöst, ist das ein wichtiger Grund für die Lösung des Verlöbnisses, weil ein weiteres Zusammenleben der künftigen Ehegatten nicht mehr zu erwarten ist.

Ergänzend ist noch wichtig zu wissen, dass Schenkungen vom zurückgelassenen Partner zurückverlangt werden können (Geregelt im § 1301 BGB).

Rechte, die sich aus einer Verlobung ergeben

Verlobte haben nicht nur Pflichten, sondern auch besondere Rechte, die durch den Gesetzgeber festgelegt wurden. Sowohl im Zivil- als auch im Strafrecht ist hier das Zeugnisverweigerungsrecht zu nennen. Es kann einem Verlobten nicht zugemutet werden, mit einer wahren Zeugenaussage den künftigen Ehegatten in ein negatives, strafrelevantes Licht zu rücken. Gesetzlich geregelt wird das wie folgt:

§ 383 ZPO Zeugnisverweigerung aus persönlichen Gründen (Zivilprozessordnung)

  • (1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt: 1. der Verlobte einer Partei oder derjenige, mit dem die Partei ein Versprechen eingegangen ist, eine Lebenspartnerschaft zu begründen;

§ 52 StPO (Strafprozessordnung)

  • (1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt: 1. der Verlobte des Beschuldigten oder die Person, mit der der Beschuldigte ein Versprechen eingegangen ist, eine Lebenspartnerschaft zu begründen;

Besuchsrecht für Verlobte

Häufig wird im Falle eines Unfalls, einhergehend mit schweren Verletzungen des Verunfallten und der Verbringung des Verunfallten auf die Intensivstation, eine Verlobung angegeben, um ein Besuchsrecht durchzusetzen. Hier muss ganz klar gesagt werden: Ein solches Recht existiert NICHT. Viele Ärzte und Krankenschwestern handeln hier im guten Glauben und gewähren ein Besuchsrecht des Patienten dennoch. Sollten diese den gewünschten Besuch allerdings verweigern, existiert keine rechtliche Handhabe, um dieses nicht existente Besuchsrecht irgendwie durchzusetzen.

In solchen Fällen sollte im Vorfeld eine sogenannte Vorsorgevollmacht erteilt werden, damit im Ernstfall keine Probleme in dieser Richtung auftauchen.

Jetzt bleibt mir nur noch zu hoffen, dass ich dir und allen anderen Lesern genügend Informationen an die Hand gegeben habe, um für die Verlobung bzw. die Verlöbnislösung alle relevanten Belange handhaben zu können. Falls noch weitere Fragen dazu vorhanden sind - einfach fragen. „lachen“-Emoticon

verbena
verbena 10.08.2017

Eine rein mündliche Verlobung ist nicht so rechtlich verbindlich wie eine Ehe und kann auch wieder mündlich gelöst werden. Aber im Prinzip ist auch sie schon eine feste (vertragliche) Vereinbarung, wenn auch mündlich. Wenn du also einen Tag vor der Hochzeit alles absagst und deine Zukünftige hatte schon große Ausgaben, kann sie dich theoretisch auf Schadenersatz verklagen. Es ist in der Praxis immer etwas schwierig nachzuweisen, wie die Versprechen genau gegeben wurden und wer nun am Scheitern der Verbindung Schuld trägt, aber grundsätzlich ist auch ein mündliches Versprechen ein Versprechen. Auch die Schwiegereltern, die vielleicht die Location zahlen und so kurzfristig nicht mehr absagen können, haben unter Umständen einen Schadenersatzanspruch dir gegenüber.

Abgesehen von der rechtlichen Seite empfehle ich dir dringend, das Gespräch zu suchen, um böses Blut zu vermeiden. Deine Freundin wird sicher sehr verletzt sein und verdient es, dass du ehrlich mit ihr umgehst. Dann lassen sich auch alle Formalitäten und evtl. bereits getroffenen Vorbereitungen besser klären.

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