Wie muss ein Arbeitszeugnis aussehen?

Wie muss ein Arbeitszeugnis aussehen?

17.03.2017 von firefly86
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Guten Abend,

folgendes Problem: Ich bin in einer neuen Firma und habe noch kein Zeugnis von meinem alten Arbeitgeber bekommen. Angeblich haben sie keine Zeit dafür. Damit es schneller geht, kann ich mir selbst eins schreiben und sie zeichnen es dann ab und senden es zurück. Eigentlich eine gute Sache, denn ich kann mir ja dann die besten Noten geben. Nur verstehe ich von Zeugnissen leider gar nichts.

Ich weiß nur, dass man mit den Formulierungen da höllisch aufpassen muss, weil manche etwas ganz anderes bedeuten, als man zunächst denkt. „Er war bei den Kollegen sehr beliebt“ oder sowas in der Art heißt dann eigentlich, dass er Säufer ist und sowas möchte ich mir nicht freiwillig in mein Zeugnis schreiben.

Gibt es Regeln, wie ein Zeugnis aufgebaut sein muss und was alles rein gehört?

Wenn das jemand sicher weiß, freue ich mich.

Danke und Gruß, Euer Bob.

Antworten: 3

Beste Antwort
arthur
arthur 17.03.2017

@firefly86

Es ist gar nicht ungewöhnlich, dass Mitarbeiter ihr Arbeitszeugnis selbst schreiben müssen. Auf dich kommt eine Menge Arbeit zu. Ich habe jahrelang für Betriebe und Privatpersonen Arbeitszeugnisse auf Honorarbasis erstellt und versuche, die das im Detail zu erklären. Falls du später noch Fragen hast: Raus damit!

Für die Ausstellung vom Arbeits- oder Praktikumszeugnis gibt es laut BGB, §630, und laut Gewerbeordnung (GewO), § 109 zwei Möglichkeiten:

  1. Ein einfaches Arbeitszeugnis als einfacher Tätigkeitsnachweis und Beschäftigungsnachweis. Es enthält objektiv nachprüfbare Fakten und Daten.
  2. Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis, das zusätzlich Leistung, Kenntnisse, Arbeitseinsatz und Verhalten des Mitarbeiters bewertet. Es ist natürlich sehr viel aussagekräftiger als ein einfaches Arbeitszeugnis.

Meistens stellt der Arbeitgeber von sich aus ein qualifiziertes Arbeitszeugnis aus bzw. lässt die Mitarbeiter ein solches selbst schreiben. Gibt er nur ein einfaches Arbeitszeugnis, muss der Mitarbeiter selbst aktiv werden und ein qualifiziertes anfordern.

Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis informiert über

  • die Art der beruflichen Tätigkeit, die du ausgeübt hat,
  • die Dauer deiner Tätigkeit für das Unternehmen
  • deine Leistungen
  • deine Kenntnisse und Fähigkeiten
  • dein Verhalten

Dazu sollten im Arbeitszeugnis ausreichend ausführliche Informationen vorkommen. Damit du nichts vergisst und nicht versehentlich die falschen Inhalte einbaust, hier ein paar Hinweise zur gesetzlichen Regelung und üblichen Standards.

Laut Gesetz gilt für die Formulierung von Arbeitszeugnissen im Allgemeinen Folgendes:

  • Das Arbeitszeugnis muss der Wahrheit entsprechen. Leistungen müssen wahrheitsgemäß angegeben werden. Das steht über dem Gebot des Wohlwollens.
  • Es muss wohlwollend formuliert sein. Es besteht Wohlwollenpflicht.
  • Die vom Mitarbeiter erledigten Tätigkeiten sollten vollständig genannt werden.
  • Es ist offiziell nicht erlaubt, Geheimcodes zu verwenden. (Trotzdem gibt es bestimmte Formulierungen, die auch verwenden werden!)
  • Krankheitszeiten dürfen nicht darin erfasst werden.
  • Gibt es einen Kündigungsgrund seitens der Arbeitgebers, darf dieser nur mit dem Einverständnis des Arbeitnehmers im Arbeitszeugnis genannt werden
  • Informationen Gewerkschaftsmitgliedschaften gehören nicht ins Arbeitszeugnis, außer der Arbeitnehmer ist mit der Erwähnung einverstanden bzw. bittet darum.
  • Informationen über Religion, Ethnie und Parteizugehörigkeit sind nicht erlaubt.
  • Ein Arbeitszeugnis muss fehlerfrei sein.

Formale Vorgaben für Arbeitszeugnisse

  • Ein Arbeitszeugnis muss in schriftlicher Form vorliegen.
  • Es wird in der Regel auf dem Briefpapier der Firma ausgestellt.
  • Es muss fehlerfrei sein. Das gilt für Rechtschreibung und Inhalt. Ist es das nicht, kann der Arbeitnehmer Nachbesserung verlangen. Für dich heißt das: Gut aufpassen und nichts vergessen! Lass das Arbeitszeugnis, wenn du es formuliert hast, noch mal von einem Kollegen, einem Freund oder einem Profi Korrektur lesen.

Leistungsbeurteilung im Arbeitszeugnis – Formulierungen und Note

Es gibt für Arbeitszeugnisse ein ähnliches Bewertungssystem, wie du es von Schulnoten kennst. Die Leistungen werden von 1 bis 5 bewertet. Da Wohlwollenspflicht besteht, ist die Beurteilung paraphrasiert:

  • Sehr gut (1): „Stets zu unserer vollsten/höchsten Zufriedenheit“
  • Gut (2): „Stets zu unserer vollen Zufriedenheit“/ „Stets zur vollen Zufriedenheit“
  • Befriedigend (3): „Stets zu unserer Zufriedenheit“ / „Stets zur Zufriedenheit“
  • Ausreichend (4): „Zur Zufriedenheit“
  • Mangelhaft (5) / Ungenügend (6): „Stets bemüht“

Gliederung von qualifizierten Arbeitszeugnissen

Schreibe je einen Absatz zu folgenden Punkten in dieser Reihenfolge:

  1. Überschrift: Arbeitszeugnis
  2. Deine Stammdaten: Eine übliche Formulierung wäre z.B. „Herr Bob Beispielmann, geboren am 01.01.1970 in Beispielhausen, war vom 12.01.2011 bis 20.03.2017 als Mitarbeiter / „genaue Berufsbezeichnung“ im Bereich XYZ in unserem Unternehmen beschäftigt.
  3. Tätigkeitsbeschreibung: Erfasse alles, was du im Betrieb erledigst
  4. Leistungen, Kenntnisse, Sozialverhalten: Hier beschreibst du besondere Leistungen, Kenntnisse und das Verhalten gegenüber Kollegen, Chef und Kunden und bewertest es mit den Standardformulierungen.
  5. Grund für das Beendigen des Arbeitsverhältnisses: Meistens „verlässt unser Unternehmen auf eigenen Wunsch“
  6. Schluss und Zukunftswünsche
  7. Leserliche Unterschrift des Chefs, Firmenstempel

Auf Firmenbriefpapier ausgedruckt stehen automatisch sämtliche Daten des Betriebs in Kopf- und Fußzeilen.

teaching2020
teaching2020 17.03.2017

Eigentlich eine gute Sache, denn ich kann mir ja dann die besten Noten geben. Nur verstehe ich von Zeugnissen leider gar nichts.

Prinzipiell ist das eine feine Sache. Aber der Arbeitgeber kann die Formulierungen nach Erhalt auch noch abwandeln. Du nimmst deinem Ex-Boss eine Menge Arbeit ab, wenn du dein Arbeitszeugnis als ehemaliger Mitarbeiter einfach selbst schreibst. Wenn sie deine Leistungen aber schlechter beurteilen als du, übernehmen sie deine Vorlage vermutlich eher nicht. 

Arbeitsrichter haben entschieden, dass Arbeitszeugnisse mindestens „Befriedigend“ sein müssen. Fällt das Arbeitszeugnis noch schlechter aus, muss der Arbeitgeber das begründen. Willst du eine besere Note und dein Chef sieht das anders, bist du in der Beweispflicht.

@arthur hat das Zeugnissystem gut erklärt. Damit du nicht immer die gleichen Sätze schreibst, kannst du natürlich ein bisschen variieren:

Beispiele für die Note „Sehr gut“ (Eins) im Arbeitszeugnis

  • erledigte die übertragenen Aufgaben stets selbstständig mit äußerster Sorgfalt und Präzision.
  • erzielte herausragende Resultate und zeigte außergewöhnliches Engagement.
  • erfüllte unsere Erwartungen in jeder Hinsicht in allerbester Weise zu unserer vollsten Zufriedenheit
  • Im Umgang mit Klienten, Vorgesetzten, Kollegen und sonstigen Mitarbeitern verhielt er sich stets überaus zuvorkommend, freundlich und absolut korrekt.
  • Er verfügt über herausragende, überaus fundierte Fachkenntnisse.
  • Er verlässt unser Unternehmen auf eigenen Wunsch, was wir außerordentlich bedauern.

Beispiele für die Note „Gut“ (Zwei) im Arbeitszeugnis

  • erledigte die übertragenen Aufgaben selbständig mit äußerster Sorgfalt und Präzision.
  • erzielte beste Resultate und zeigte hohes Engagement
  • erfüllte unsere Erwartungen in jeder Hinsicht in bester Weise zu unserer vollen Zufriedenheit
  • Im Umgang mit Klienten, Vorgesetzten, Kollegen und sonstigen Mitarbeitern verhielt er sich stets einwandfrei.

Beispiele für Befriedigend, Ausreichend und Mangelhaft brauchst du vermutlich nicht. „zwinkern“-Emoticon Du willst dir ja nicht selbst ein Grab schaufeln.

Noch was Juristisches:

Falls Fehlverhalten vorliegt, z.B. wenn der Mitarbeiter klaut, muss dann sogar in deutlichen Worten im Arbeitszeugnis stehen. Wahrheit steht über Wohlwollen.

jenny24
jenny24 17.03.2017

@firefly86: Ganz wichtig ist, dass du nichts weglässt. Dadurch kannst du aus Versehen völlig falsche Informationen geben. In einem meiner Arbeitszeugnisse stand:

Im Umgang mit Klienten, und Vorgesetzten verhielt sich Frau Jennifer X stets überaus korrekt, zuvorkommend und freundlich.

Eigentlich ist das eine "Eins". Aber das Komma hat mich gewundert. Ich dachte sofort, dass da was fehlt. Sonst wäre es ein ungewöhnlicher Zeichensetzungsfehler. Ich habe nachgefragt. Meine damalige Chefin hat sich dann vielmals entschuldigt. Da fehlte tatsächlich das Wort "Kollegen". Das hatte die Sekretärin, die das Arbeitszeugnis tippen musste, versehentlich gelöscht. 

Problem ist, wenn das fehlt, wirkt es so, als sei ich kein Stück teamfähig oder sogar unfreundlich zu meinen Kollegen. Man muss da wirklich höllisch aufpassen.

Eine ehemalige Studienkollegin von mir, die in einem anderen Betrieb tätig war, wurde von ihrem Arbeitgeber entlassen. Der Hauptgrund war, dass sie ständig zu spät zur Arbeit kam. Das hat sie auch zugegeben. Außerdem neigt sie dazu, ununterbrochen zu reden, statt ihre Arbeit zu machen. In ihrem Arbeitszeugnis hatte sie eine echt schlimme Formulierung:

"Unter Aufsicht war sie in der Lage, ihre Arbeit zu erledigen."

An mehr kann ich mich nicht erinnern. Nur dieser eine Satz ist hängen geblieben. Viel vernichtender geht es kaum denke ich. Denn da steht eigentlich:

Sie ist unselbständig und tut nichts, wenn man nicht ununterbrochen auf sie aufpasst und zur Arbeit ermahnt. Selbst dann ist sie nur "in der Lage", etwas zu leisten. Tut es aber nicht. Und was sie leistet, ist dann nicht einmal "gut" oder "sehr gut"... 

Man sollte das Arbeitszeugnis unbedingt ganz kritisch durchgehen und gucken, was da wirklich drinsteht. Diese besagte Studienkollegin hat sich zwar über den Satz geärgert, aber nichts gemacht oder gesagt. Sie versucht, bei Bewerbungen ohne Arbeitszeugnis Erfolg zu haben. Bisher hat das nicht geklappt.

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