Guten Abend,
folgendes Problem: Ich bin in einer neuen Firma und habe noch kein Zeugnis von meinem alten Arbeitgeber bekommen. Angeblich haben sie keine Zeit dafür. Damit es schneller geht, kann ich mir selbst eins schreiben und sie zeichnen es dann ab und senden es zurück. Eigentlich eine gute Sache, denn ich kann mir ja dann die besten Noten geben. Nur verstehe ich von Zeugnissen leider gar nichts.
Ich weiß nur, dass man mit den Formulierungen da höllisch aufpassen muss, weil manche etwas ganz anderes bedeuten, als man zunächst denkt. „Er war bei den Kollegen sehr beliebt“ oder sowas in der Art heißt dann eigentlich, dass er Säufer ist und sowas möchte ich mir nicht freiwillig in mein Zeugnis schreiben.
Gibt es Regeln, wie ein Zeugnis aufgebaut sein muss und was alles rein gehört?
Wenn das jemand sicher weiß, freue ich mich.
Danke und Gruß, Euer Bob.
@firefly86:
Es ist gar nicht ungewöhnlich, dass Mitarbeiter ihr Arbeitszeugnis selbst schreiben müssen. Auf dich kommt eine Menge Arbeit zu. Ich habe jahrelang für Betriebe und Privatpersonen Arbeitszeugnisse auf Honorarbasis erstellt und versuche, die das im Detail zu erklären. Falls du später noch Fragen hast: Raus damit!
Für die Ausstellung vom Arbeits- oder Praktikumszeugnis gibt es laut BGB, §630, und laut Gewerbeordnung (GewO), § 109 zwei Möglichkeiten:
Meistens stellt der Arbeitgeber von sich aus ein qualifiziertes Arbeitszeugnis aus bzw. lässt die Mitarbeiter ein solches selbst schreiben. Gibt er nur ein einfaches Arbeitszeugnis, muss der Mitarbeiter selbst aktiv werden und ein qualifiziertes anfordern.
Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis informiert über
Dazu sollten im Arbeitszeugnis ausreichend ausführliche Informationen vorkommen. Damit du nichts vergisst und nicht versehentlich die falschen Inhalte einbaust, hier ein paar Hinweise zur gesetzlichen Regelung und üblichen Standards.
Laut Gesetz gilt für die Formulierung von Arbeitszeugnissen im Allgemeinen Folgendes:
Formale Vorgaben für Arbeitszeugnisse
Leistungsbeurteilung im Arbeitszeugnis – Formulierungen und Note
Es gibt für Arbeitszeugnisse ein ähnliches Bewertungssystem, wie du es von Schulnoten kennst. Die Leistungen werden von 1 bis 5 bewertet. Da Wohlwollenspflicht besteht, ist die Beurteilung paraphrasiert:
Gliederung von qualifizierten Arbeitszeugnissen
Schreibe je einen Absatz zu folgenden Punkten in dieser Reihenfolge:
Auf Firmenbriefpapier ausgedruckt stehen automatisch sämtliche Daten des Betriebs in Kopf- und Fußzeilen.
Prinzipiell ist das eine feine Sache. Aber der Arbeitgeber kann die Formulierungen nach Erhalt auch noch abwandeln. Du nimmst deinem Ex-Boss eine Menge Arbeit ab, wenn du dein Arbeitszeugnis als ehemaliger Mitarbeiter einfach selbst schreibst. Wenn sie deine Leistungen aber schlechter beurteilen als du, übernehmen sie deine Vorlage vermutlich eher nicht.
Arbeitsrichter haben entschieden, dass Arbeitszeugnisse mindestens „Befriedigend“ sein müssen. Fällt das Arbeitszeugnis noch schlechter aus, muss der Arbeitgeber das begründen. Willst du eine besere Note und dein Chef sieht das anders, bist du in der Beweispflicht.
@arthur hat das Zeugnissystem gut erklärt. Damit du nicht immer die gleichen Sätze schreibst, kannst du natürlich ein bisschen variieren:
Beispiele für die Note „Sehr gut“ (Eins) im Arbeitszeugnis
Beispiele für die Note „Gut“ (Zwei) im Arbeitszeugnis
Beispiele für Befriedigend, Ausreichend und Mangelhaft brauchst du vermutlich nicht. Du willst dir ja nicht selbst ein Grab schaufeln.
Noch was Juristisches:
Falls Fehlverhalten vorliegt, z.B. wenn der Mitarbeiter klaut, muss dann sogar in deutlichen Worten im Arbeitszeugnis stehen. Wahrheit steht über Wohlwollen.
@firefly86: Ganz wichtig ist, dass du nichts weglässt. Dadurch kannst du aus Versehen völlig falsche Informationen geben. In einem meiner Arbeitszeugnisse stand:
Im Umgang mit Klienten, und Vorgesetzten verhielt sich Frau Jennifer X stets überaus korrekt, zuvorkommend und freundlich.
Eigentlich ist das eine "Eins". Aber das Komma hat mich gewundert. Ich dachte sofort, dass da was fehlt. Sonst wäre es ein ungewöhnlicher Zeichensetzungsfehler. Ich habe nachgefragt. Meine damalige Chefin hat sich dann vielmals entschuldigt. Da fehlte tatsächlich das Wort "Kollegen". Das hatte die Sekretärin, die das Arbeitszeugnis tippen musste, versehentlich gelöscht.
Problem ist, wenn das fehlt, wirkt es so, als sei ich kein Stück teamfähig oder sogar unfreundlich zu meinen Kollegen. Man muss da wirklich höllisch aufpassen.
Eine ehemalige Studienkollegin von mir, die in einem anderen Betrieb tätig war, wurde von ihrem Arbeitgeber entlassen. Der Hauptgrund war, dass sie ständig zu spät zur Arbeit kam. Das hat sie auch zugegeben. Außerdem neigt sie dazu, ununterbrochen zu reden, statt ihre Arbeit zu machen. In ihrem Arbeitszeugnis hatte sie eine echt schlimme Formulierung:
"Unter Aufsicht war sie in der Lage, ihre Arbeit zu erledigen."
An mehr kann ich mich nicht erinnern. Nur dieser eine Satz ist hängen geblieben. Viel vernichtender geht es kaum denke ich. Denn da steht eigentlich:
Sie ist unselbständig und tut nichts, wenn man nicht ununterbrochen auf sie aufpasst und zur Arbeit ermahnt. Selbst dann ist sie nur "in der Lage", etwas zu leisten. Tut es aber nicht. Und was sie leistet, ist dann nicht einmal "gut" oder "sehr gut"...
Man sollte das Arbeitszeugnis unbedingt ganz kritisch durchgehen und gucken, was da wirklich drinsteht. Diese besagte Studienkollegin hat sich zwar über den Satz geärgert, aber nichts gemacht oder gesagt. Sie versucht, bei Bewerbungen ohne Arbeitszeugnis Erfolg zu haben. Bisher hat das nicht geklappt.