Was ist von Montessori Schulen zu halten?

Was ist von Montessori Schulen zu halten?

12.11.2016 von westerland
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Ein aktuelles Streitthema in unserer Familie: Meine Frau möchte unsere jüngste Tochter nächstes Jahr zur Einschulung nicht auf eine "normale" Schule schicken, sondern auf eine sogenannte Montessori Schule. Ich halte von dem Konzept und der Montessoripädagogik nichts und bin strikt dagegen. Für mich ist es nichts anderes als eine Waldorfschule. Ich suche nun schlagkräftige Argumente gegen diese "offene" Pädagogik und möchte meine Frau unbedingt noch umstimmen! Danke für einen Rat!

Antworten: 6

Beste Antwort
arthur
arthur 19.11.2016

Ich finde das Regelschulsystem nicht effektiv. Viel Unterrichtsausfall, schlappe, ausgebrannte Lehrer ohne Lust am Unterrichten und Kinder, die nur Bulimie-Lernen betreiben. Das bedeutet, vor der Klassenarbeit wird der Stoff geübt und auswendig gelernt, auf das Blatt "gekotzt" und wieder vergessen. Sie haben dann zwar gute Noten auf dem Zeugnis, wissen und können aber nichts. Hausaufgaben werden abgeschrieben, Referate aus dem Internet geholt und einfach als eigene Arbeit abgegeben oder vorgetragen.

Man kommt dagegen als Elternteil nicht an. Das Verhalten der Mitschüler prägt stärker als gut gemeinte Ratschläge.

Darum finde ich Montessori-Pädagogik gut. Das Konzept sieht Lernen so, wie ich mir das auch vorstelle:

Vorteile

+ Es gibt keine Zensuren. Stattdessen gibt es Gespräche mit den Lehrern und ausformulierte Beurteilungen. Die Schüler erfahren also sehr wohl, wo sie stehen, was sie können und woran sie noch arbeiten müssen. In einem IzEL-Bogen werden die Lernfortschritte, das Arbeits- und das Sozialverhalten festgehalten.

+ Kinder lernen nicht nach Altersstufen getrennt sondern in Gruppen. Ein sechsjähriges und ein neunjähriges Kind können also durchaus zusammen in einer Gruppe sein. Die jüngeren Kinder lernen von den älteren. Es gibt kein Mobbing, und sie lernen, mit anderen Kindern in unterschiedlichen Altersstufen umzugehen. Das macht sich zu Hause dann auch beim Umgang mit Geschwistern bemerkbar.

+ Es gibt keinen Frontalunterricht. "Wenn alles schläft und einer spricht, den Zustand nennt man Unterricht" gibt es in Montessorischulen nicht. Jedes Kind lernt in seinem eigenen Tempo die Lerninhalte, die es interessieren. Dadurch sind die Kinder motiviert. Sie LERNEN wirklich. 

+ Freiarbeit: Lehrer geben den Lernstoff nicht vor. Sie begleiten und stehen für Fragen zur Verfügung. Die Kinder entscheiden, an was sie arbeiten wollen. Dadurch übernehmen die Kinder von Anfang an Verantwortung für ihre eigene Bildung. Sie können sich meistens auch gleich selbst kontrollieren. Das Material ist so aufgebaut. (Im Vergleich dazu: Kinder von Regelschulen sind völlig überfordert, wenn sie eine Aufgabe machen müssen, die Aufgabenstellung lesen sollen und dann auch noch kontrollieren sollen, ob alles stimmt.)

+ Lehrinhalte sind dennoch ähnlich wie in der Regelschule. Das Kind kann auf Wunsch auf eine Regelschule gehen.

+ Abschlüsse: Bleibt das Kind auf der Montessorischule, kann es dennoch alle Schulabschlüsse erreichen. Hauptschulabschluss, Realschulabschluss oder Abitur sind möglich. Die Prüfungen legen sie an staatlichen Schulen ab. Sie werden nicht bevorzugt oder in Watte gepackt.

+ Das Kind kann ohne Druck lernen und sich entfalten. 

+ Auch Kinder mit Lernbehinderungen sind ganz normal integriert.

Mir gefällt das altersgemischte Lernen. Kinder werden so mit unterschiedlichen Menschen konfrontiert und empfinden es als normal, mit jüngeren und älteren, behinderten und nichtbehinderten Schülern umzugehen. Leider gibt es in Deutschland nur ungefähr 10 reine Montessori-Klassen, die bis zum Abitur reichen. In einem Artikel in "Focus" habe ich gelesen, dass in Bayern immerhin 34 % der Montessori-Schülern den Wechsel auf ein staatliches Gymnasium schaffen. Nötig ist das vor allem, weil es zu wenig Gymnasiallehrer mit Montessori-Ausbildung gibt.

Vielleicht gibst du dem Konzept doch noch eine Chance? Guck dich doch mal zusammen mit deiner Frau an einer Montessori-Schule um.

bulli
bulli 12.11.2016

Kinder in eine heile Welt und Watteschutzhülle zu packen, bringt nichts. Es trifft sie umso härter, wenn sie es viel zu spät lernen, dass man sich anpassen muss und in der Schulstunde nicht einfach aufstehen und rumlaufen kann. Ist dem Sohn einer Freundin so ergangen, als er in der 5. Klasse auf ein staatliches Gymnasium kam. Er hat die Regeln und den Wettbewerb nicht verstanden, weil er es nicht kannte und sich umstellen musste. Hätte er es von klein auf gelernt, wäre es ihm leichter gefallen.

kublai
kublai 18.11.2016

Hey westerland,

eine Alternativschule wie Montessori oder Waldorf ist nicht für jedes Kind geeignet. Es gibt dort kaum Strukturen und Regeln. Für manche Kinder ist das nichts. Sie müssen an die Hand genommen und angeleitet werden.  

Meine Ex-Freundin war eine große Verfechterin von Waldorfpädagogik. Allerdings ist ihr Sohn kein Genie oder geistiger Überflieger. Als Kind war er faul, uninteressiert und saß in der Waldorfschule nur herum, ohne etwas zu lernen oder sich zu beteiligen. Nach ein paar Jahren haben sie und die Schule eingesehen, dass das nichts bringt. Es gibt Kinder, die stundenlang nur stumpf vor sich hinstarren. Der Bub kam dann auf eine Hauptschule, die er mit Ach und Krach geschafft hat. Für ihn wäre Frontalunterricht mit strengen Lehrern und Hausaufgaben bestimmt besser gewesen.

Kublai

westerland
westerland 18.11.2016

Guten Abend Kublai,

genau so sehe ich das auch. Feste Regeln und Strukturen zu erlernen ist sehr wichtig, ansonsten wird man im Leben nicht weit kommen!

Hi Westerland,

ich habe noch ein schlagendes Argument gegen Montessori-Schulen, mit dem du deine Frau garantiert überzeugen kannst! Bei so ziemlich allen Alternativ- und Privatschulen werden Eltern viel stärker in die Pflicht genommen als bei staatlichen Schulen.

Bei Montessori-Schulen gibt es Einzelgespräche mit Eltern, Elternabende und Arbeitskreise, bei denen Eltern mitwirken müssen. Ja, richtig gelesen: Die Beteiligung ist überall verpflichtend. Das soll für eine gute Beziehung zwischen Elternhaus und Schule sorgen, aber viel Privatsphäre und Freizeit bleibt Berufstätigen dann nicht. Soll heißen, man muss wirklich vom Sinn dieser Pädagogik überzeugt sein, um das auf sich zu nehmen.

alex0305
alex0305 27.01.2017

Mein Sohn geht auf einen Montessori Kindergarten und ich finde ihn großartig.

Dennoch würde ich ihn, wenn es in zwei Jahren auf die Schule geht, nicht auf eine Montessori Schule schicken. Ich finde das System "Mach was du willst, teile dir alles frei ein", im Kindergarten großartig und es tut der Eigenständigkeit sehr gut. Allerdings finde ich, dass auf der Schule Regeln gelernt werden müssen. Denn im späteren Leben ist es (leider) nunmal so, dass wir alle uns an Normen halten müssen. Ich möchte meinem Sohn eine Zukunft nicht verbauen, in der er auf ein Gymnasium gehen kann und danach zur Uni. Ich denke dass Kinder es sehr schwer haben, wenn sie von einer Montessori Schule auf eine reguläre weiterführende Schule gehen.

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