Wie lernt man, Entscheidungen zu treffen?

Wie lernt man, Entscheidungen zu treffen?

27.06.2017 von tassilo
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Hallo allerseits,
ich bin einer von diesen Leuten, die dauernd unter "chronischer Unentschlossenheit" leiden. Egal ob in kleinen oder großen Dingen, sobald ich mal eine definitive Entscheidung treffen soll, kriege ich es einfach nicht auf die Reihe! Ich eiere dann ewig hin und her, entscheide mich alle paar Minuten um und komme nicht zum Punkt. Das ist auch im Alltag richtig belastend, denn manchmal muss man halt Entscheidungen treffen. Mein Freund ist auch jedes Mal angenervt, was ich gut verstehen kann. Aber ich bin da einfach blockiert!
Vielleicht kennt das hier ja noch jemand und kann mir verraten, was man dagegen tun kann? Wie kann ich mir beibringen, endlich Entscheidungen zu treffen?

Antworten: 3

Beste Antwort
arthur
arthur 28.06.2017

Du kannst nie wissen, was die Resultate Deiner Taten sein werden. Aber wenn Du nichts tust, wird es nie ein Resultat geben. – Mahatma Gandhi

Mit dem Problem bist du nicht allein. Entscheidungen zu treffen, fällt vielen Menschen schwer. Dabei treffen wir tatsächlich jeden Tag zig Entscheidungen. Meistens unbewusst. Du entscheidest, ob du eine Jeans anziehst oder eine Stoffhose. Du entscheidest, was du zum Frühstück essen möchtest. Irgendwann hast du dich für deinen Freund entschieden.

Warum es so schwer ist, Entscheidungen zu treffen

Mit jeder Entscheidung für ein Ding, eine Sache oder eine Person schließt du unendlich viele Alternativen aus. Beispiel: Du kaufst dir ein Smartphone von Samsung und nicht von all den anderen angesagten Marken (iPhone, Sony, LG etc.).

Man will eine gute Entscheidung treffen, keine Fehler machen. Jetzt passiert Folgendes: Statt einfach glücklich zu sein mit der Entscheidung, trauern wir allem hinterher, was wir nicht gewählt haben. Das nennt sich Verlustangst. Zu viele Wahlmöglichkeiten wirken überfordernd. Das Risiko, falsch zu entscheiden, ist hoch.

Wir wählen oft Dinge, die uns schnell Belohnung versprechen. Wir essen den lecker aussehenden Burger, der unseren Hunger sofort still, statt nach Hause zu gehen und einen Salat zu machen. Dadurch ist unser Bedürfnis schnell befriedigt. Wer das immer macht, wird allerdings auf Dauer mit Gesundheit und Gewicht Probleme bekommen.

Besonders schwer ist es für Menschen, sich für Neues und gegen Gewohntes zu entscheiden. Der amerikanische Ökonom Jack Knetsch hat dazu ein verblüffend einfaches und sehr anschauliches Experiment gemacht: Er schenkte seinen Studenten einen Becher Kaffee. Kurz danach fragte er sie, ob sie den gegen einen Schokoriegel tauschen möchten. Aber 90 % blieben beim Kaffee. Umgekehrt passierte dasselbe: Schenkt er seinen Studenten zuerst einen Schokoriegel und bot danach an, dass sie ihn gegen einen Becher Kaffee tauschen könnten, behielten 90 % die Schokolade. Wir klammern und aus Angst vor Entscheidungen an das Gewohnte. Im Job sind wir nicht glücklich und treten auf der Stelle. Wir langweilen uns abends, gucken aber wie gewohnt Fernsehen. Mit unserem Partner läuft im Bett nichts mehr, aber wir nehmen es hin. Es ist Routine. Routine bietet Sicherheit. Wir sind wie gelähmt.

Warum es dir vermutlich schwerfällt, Entscheidungen zu treffen

  • Vielleicht hast du nicht gelernt, Risiken einzugehen.
  • Eventuell wurdest du als Kind für schlechte Entscheidungen auf die „falsche“ Weise bestraft. Natürlich muss man mit den Konsequenzen von Entscheidungen leben. Aber Eltern, die ihr Kind beschimpfen, anschreien und im Stich lassen, wenn sie Fehler machen, sind nicht hilfreich.
  • Vielleicht durftest du auch nichts entscheiden, weil dir als Kind alle Wahlmöglichkeiten weggenommen worden sind. In aller Regel sind die Ursachen für dieses Problem in der Kindheit zu suchen. Aber… jetzt bist du erwachsen. Deine Vergangenheit und Prägung haben Spuren hinterlassen. Sie sollten aber nicht dein gesamtes Leben bestimmen. Davon solltest du dich – vielleicht sogar mit therapeutischer Hilfe – freimachen.
  • Du musst erst einmal wieder einen Zugang zu dir selbst finden. Wenn du weißt, was du magst, was dir gefällt, wobei du dich wohlfühlst, dann sind Entscheidungen auch viel leichter zu treffen. Entscheiden musst du nämlich, was für DICH gut, richtig und wichtig ist. Wenn dir lebenslang eingetrichtert wurde, dass du nichts wert bist, dass deine Meinung nicht zählt, dass du nicht egoistisch, sondern altruistisch sein musst, ist es kein Wunder, dass es dir so schwer fällt, etwas zu entscheiden.

Lerne „Nein“ sagen

Beispiel:

Dein Freund fragt: Hast du Lust, schwimmen zu gehen?

Du überlegst. Offenbar will er schwimmen, sonst würde er nicht fragen. Aber eigentlich bist du müde und hast keine Lust. Aber es wäre schön, mal wieder auszukommen und was anderes zu machen. Er würde sich sicher freuen.

Deine Antwort: "Ja, OK."

Dein Freund wird merken, dass du diese Entscheidung nicht begeistert getroffen hast, denn eigentlich wolltest du sagen: Nein, ich bin müde und habe keine Lust. (Du weißt, dass das deine Entscheidung gewesen wäre. Aber du wolltest ihn nicht verletzen. Er will aber ehrlich von dir wissen, was du möchtest.)

Warum Entscheidungen nötig sind

Veränderungen passieren nur, wenn man etwas entscheidet. Alles ist letztendlich besser, als starr zu verharren und nichts zu tun. Man verliert vor sich den Respekt und wir von anderen nicht mehr ernst genommen.

Außerdem fühlst du dich irgendwann ausgeliefert und wie ein Spielball anderer. Statt dein Leben selbstbestimmt zu leben, wirst du von anderen gelebt.

Wie du Entscheidungen treffen kannst

  • Es ist dein Leben. Mach dir bewusst, dass du darüber entscheiden solltest, wie du es leben willst.
  • Überleg dir, was schlimmstenfalls bei einer schlechten Entscheidung passieren kann. Spiele das Szenario im Kopf bis zum bitteren Ende durch. Dann überlege, was du tun kannst, um die Situation wieder zu verbessern. Die meisten Fehler kann man wieder „in Ordnung bringen“.
  • Wenn dir eine dauerhafte Entscheidung schwerfällt, triff eine (mit Bedacht und Überlegung) auf Zeit. Sofort umentscheiden, ist hier nicht gemeint. Beispiel: Du entscheidest dich, Germanistik zu studieren. Mach das ein Semester lang. Dann siehst du, ob es dir liegt. War es nicht das richtige Fach, wechsele den Studiengang. Man kann Entscheidungen revidieren, korrigieren und dann neue Entscheidungen treffen.
  • Informiere dich vor wichtigen Entscheidungen ausführlich. Nur dann kannst du eine informierte Entscheidung treffen.
  • Suzy Welch rät zum 10-10-10-Modell. Wenn du eine Entscheidung treffen musst, recherchiere alle Informationen, die wichtig sein könnten. Frage dich: Welche Auswirkungen hat meine Wahl in 10 Tagen? - Welche Auswirkungen hat meine Wahl in 10 Monaten? - Welche Auswirkungen hat meine Wahl in 10 Jahren?
  • Mach dir eine Pro- und Contra-Liste! Dabei durchdenkst du dein Problem und die Entscheidung fällt dir leichter.
  • Triff kleine Entscheidungen aus dem Bauch heraus, verlass dich auf deine Intuition. Meistens ist das keine schlechte Entscheidung.
  • Fehler machen ist menschlich, setz dich nicht so unter Druck. 
muttertier
muttertier 28.06.2017

Hallo @tassilo,

ich kann mich gut in dich einfühlen. Ich konnte als junge Frau auch keine Entscheidungen treffen. Das war einfach Lebensangst. Inzwischen bin ich eine Ecke älter und sehe die Dinge ruhiger. Das ist ein Vorteil, wenn man nicht mehr jung ist. Die größere Gelassenheit und Ruhe. Da kommst du garantiert auch irgendwann hin.

Bis dahin habe ich auch ein paar Tipps, wie es dir vielleicht etwas leichter fällt, Entscheidungen im Alltag zu treffen:

  • Tipp 1: Wie wichtig ist die Entscheidung? Hängt dein Leben davon ab? Nein? Dann triff sie spontan. Das passt zu Situationen wie „Was soll ich heute kochen?“ (Ist doch egal!) „Was ziehe ich an?“ (Nimm das erste, was du im Kleiderschrank findest.) „Was gucke ich im Fernsehen?“ (Zappe durch und gucke, was interessant aussieht.)
  • Tipp 2: Das Leben geht weiter. Alle treffen dumme, peinlich oder falsche Entscheidungen. Na und? Wir sind Menschen.
  • Tipp 3: Keine Entscheidung ist auch eine Entscheidung. Und zwar die falsche. Sei lieber aktiv statt passiv. Du bist für dich verantwortlich, niemand sonst.
  • Tipp 4: Sprich mit Freunden über dein Dilemma. Sie werden dich sofort beraten. Dadurch bekommst du mehr Argumente für und gegen eine Entscheidung, als dir selbst eingefallen wären. Streiche die weg, die dir egal sind. Die übrigen bringst du in eine Reihenfolge von wichtig zu unwichtig. Dann siehst du auch den richtigen Weg.
  • Tipp 5: Arbeite mit einem Gedankenstopp. Hast du etwas entschieden, bleibe dabei. Sag dir: Ich habe darüber ausführlich nachgedacht und das ist jetzt meine Entscheidung. Stehe dazu. Nach dem Entscheiden muss das Handeln folgen. Sonst war der ganze Gedankenprozess sinnlos.
  • Tipp 6: Mach dir bewusst, dass du nicht in die Zukunft schauen kannst. Du kannst keine perfekte Entscheidung treffen. Sei nicht so hart mit dir. Du musst nicht perfekt sein.
  • Tipp 7: Triff Entscheidungen mit Bauch, Herz und Kopf. Aus dem Bauch heraus sind sie spontan und intuitiv. Mit dem Herzen emotional und mit dem Kopf rational (zumindest in der Tendenz). Du musst auch überlegen, was dir wichtiger ist. Bist du in deinem Job nicht glücklich (Herz), willst du am liebsten morgens im Bett bleiben (Bauch), hat dein Verstand, der sagt, dass du das Geld brauchst (Kopf) vielleicht das beste Argument. Aber es wäre dennoch die schlechteste Entscheidung, diese Stelle zu behalten.
dolphin
dolphin 28.06.2017

Das sind tolle Tipps.

Ich finde, es gibt kaum einen schlimmeren Fehler, als Entscheidungen nicht zu treffen. Man sollte das Ganze auch pragmatischer und positiver sehen: In nahezu keinem Fall wird man im Anschluss erfahren, was passiert wäre, wenn man sich jeweils für die andere Möglichkeit entschieden hätte „lachen“-Emoticon Von daher: Einfach alles etwas lockerer sehen und einfach tun, statt viele Tage lang nachzudenken!

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