Mein schwuler Sohn wird diskriminiert - wie kann ich ihm helfen?

15.12.2016 von tolkin45
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Ich weiß nicht mehr weiter. Mein 16jähriger Sohn ist schwul und das weiß er schon seit 3 Jahren. Er hat sich mir damals anvertraut und für mich und meine Frau war es nie ein Problem. Er ist mein Sohn und wird es immer bleiben.

Im Sommer mussten wir umziehen und wohnen jetzt in einer Kleinstadt - vorher haben wir in Berlin gewohnt und dort war mein Sohn in der Schule recht beliebt. Naja und wie es in einer kleinen Stadt so ist, hat sich das Gerücht, dass mein Sohn eben schwul ist, schnell verbreitet. Er hat sich einem Kumpel (von dem er glaubte, dass er ein Freund sei) anvertraut, aber das scheint ein fataler Fehler gewesen zu sein. Die Nachricht hat sich wie ein Lauffeuer verbreitet und mittlerweile wird er geschnitten, diskriminiert und es kam auch schon zu Prügeleien. Der Schulleitung sind abgeblich die Hände gebunden, die Polizei sieht auch keinen Handlungsbedarf.

Was soll ich jetzt machen? Meinen Job an den Nagel hängen und wieder nach Berlin ziehen? Ich bin kurz davor - ich möchte für meine Familie wieder Frieden. So wie es momentan ist, sehe ich schwarz. Mein Sohn wird immer ruhiger und ich habe Angst um ihn. Bitte helft mir - was können wir tun?

Antworten: 5

bezzerwizzer
bezzerwizzer 15.12.2016

Gegen Mobbing in der Schule kommt man von außen nicht an. Dein Sohn muss sich wehren. Verbal und zur Not körperlich. Das ist leider die einzige Sprache, die Täter verstehen. 

Das Gespräch mit Lehrern oder den Eltern der mobbenden Schüler zu suchen, wird die Lage nur verschlimmern. Dann steht dein Sohn nicht nur als Schwuler, sondern auch noch als Versager da. Sie werden sich über ihn lustig machen, weil er zu Papi und Mami laufen muss und seine Probleme nicht selbst lösen kann. Er muss lernen, sich zu wehren. 

Wenn er eine Realschule/Oberschule besucht, ist es sowieso sein letztes Jahr. Falls er Gymnasiast ist, geht er danach in die Oberstufe weiter, wo das Kurssystem alle Schüler neu mischt. Vielleicht verbessert sich dadurch die Situation von selbst.

Wenn dein Sohn mit seinem Schwulsein kein Problem hat, hilf ihm dabei, offen dazu zu stehen. Dass er sich in der neuen Schule einem vermeintlichen Freund anvertraut habe, klingt nach fehlendem Outing und Heimlichtuerei. Genau das war der Fehler. Ehrlich gesagt, verstehe ich diese Vorsicht seinerseits nicht, wenn ihr schon drei Jahre damit umgeht. (Irgendetwas scheint an der Geschichte nicht zu stimmen.) Der Fehler liegt grundsätzlich im Verschweigen. 

In dem Moment, wo dein Sohn selbstbewusst vor der Klasse steht und sagt: "Guten Morgen, ich bin schwul!" haben die anderen keine Macht mehr über ihn. 

Nur weil Berlin eine Großstadt ist, heißt das nicht, dass alles pro-Homo ist. Umgekehrt ist nicht jeder Kleinstadtbewohner kleingeistig, engstirnig und intolerant. In deiner Frage schwingt das unterschwellig mit. Ich würde dir den Tipp geben, mit deinem Sohn zu reden und ihn dazu zu bringen, endlich wirklich offen schwul zu leben.

waagerechtstarter (ein glücklicher Kleinstadt-Homo)

arthur
arthur 15.12.2016

@tolkin45: An dem, was @waagerechtstarter schreibt, ist etwas Wahres dran. Wieso muss ich dein schwuler Sohn einem Jungen aus der neuen Klasse "anvertrauen"? Deine Wortwahl klingt, als sei seine Homosexuealität für dich doch etwas Schlimmes, Unnormales, Fremdes geblieben. Wenn du ihm versehentlich unterschwellig vermittelst, dass du seine Sexualität eben doch nicht voll akzeptiert, sorgt das für Scham. Das wiederum heißt, er steht nicht voll zu sich. Das macht ihn für Angriffe von außen verwundbar und verletzlich.

Es ist auch kein "Gerücht", dass dein Sohn schwul ist. Er IST schwul. Punkt. So ist es. Dazu müsst ihr stehen. Nicht nur er, auch du als Vater. Ich glaube, du musst noch mal wirklich tief in dich gehen - und dann ein offenes Gespräch mit deinem Jungen führen. Achte auf deine Sprache und deine Wortwahl. Ich vermute, dein Sohn ist sehr intelligent und sehr sensibel. Was ihn kaputt macht, sind nicht die dummen Sprüche von Schulkameraden, sondern das Gefühl, von nicht akzeptiert zu werden, wie er ist. Wäre es anders, stünde er voll zu sich.

wetterfrosch
wetterfrosch 16.12.2016

Ein Umzug löst das Problem nicht und ist das falsche Signal. Man kann nicht immer weglaufen, wenn man mit einer Situation nicht klarkommt. Es hat auch nicht unbedingt was mit seinem schwul sein zu tun, die anderen Schüler hätten auch seine blonden oder braunen Haare oder die Turnschuhmarke durch den Kakao ziehen können. Er muss damit klarkommen, dass er anders ist als die Norm und ich denke, er weiß das ganz genau. Ganz sicher möchte er nicht, dass Papi und Mami mit den Lehrern oder anderen Eltern reden, er ist 16.

schokominza
schokominza 30.12.2016

Ich würde aber auch das Gespräch suchen und zwar mit den Eltern der Täter, das kann allerdings auch nach Hinten los gehen. Ich wurde aufgrund meiner roten Haare in der Schule, seit ich 11 war, mega gehänselt, gemoppt und auch geprügelt. Erst als ich mich wehrte und die Stirn bot, ging es besser. Heute bin ich gestärkt und bin meinen eigenen Weg gegangen. Damals konnten Eltern und Lehrer so gut wie garnix ausrichten, denn das Thema Mobbing gab es offiziell nicht. Mir wurden Haare abgeschnitten, von Mitschülern, meine Schulsachen und Kleidung runiert, Sachen und Geld gestohlen. Ich habe angefangen Kampfsport zu machen, als ich mich das erste Mal körperlich zur Wehr setzte, war das ein großer Schock für alle Täter und ich wurde zwar weiterhin gemieden, aber ich hatte meine Ruhe.

Wäre ein Schulwechsel denn möglich?

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