Was bedeutet kognitive Dissonanz?

20.04.2017 von lysander
913 mal gelesen 2 Follower

Guten Abend!
Ich lese gerade einen extrem spannenden Krimi, in dem es auch immer mal wieder um psychologische Themen geht. Normalerweise komme ich damit prima zurecht und habe von den meisten Sachen zumindest schon mal gehört. Gerade fiel aber der Begriff "Kognitive Dissonanz", und aus dem werde ich leider überhaupt nicht schlau. Es hat wohl irgendetwas mit inneren Widersprüchen zu tun, so viel habe ich verstanden. Die Person, um die es geht, hat Mist gebaut und hadert scheinbar damit. Aber was genau ist eine kognitive Dissonanz? Wodurch wird die ausgelöst? Ist das eine Krankheit?
Danke!

Antworten: 3

Beste Antwort
susanne45
susanne45 21.04.2017

Ich versuche es mal zu erklären. Nein, es ist keine Krankheit, sondern eine Bezeichnung für ein Gefühl. Eher für mehrere verwirrende, sich widersprechende Gefühle.

  • Kognitionen sind Wahrnehmungen. Gedanken. Wünsche.
  • Dissonanz bedeutet, dass Dinge nicht miteinander in Einklang sind, dass Unstimmigkeiten bestehen.

In einer solchen kognitiven Dissonanz, in einem emotionalen Spannungszustand, befindet man sich, wenn man durch seine sich widersprechenden Gefühle nicht im inneren Gleichgewicht ist. Wenn man eine Entscheidung getroffen hat, die man bereut. Wenn man glaubt, Erwartungen anderer nicht zu entsprechen. Aus dem Wunsch heraus, alles um sich harmonisch zu haben, entstehen diese Situationen automatisch, da man es nie allen Leuten Recht machen kann (und meiner Meinung nach auch gar nicht muss).

Diese Dissonanz tritt ein, wenn man sich anders verhalten muss, als man eigentlich möchte. Oder wenn man zu Unrecht beschuldigt und für dumm gehalten wird in peinlichen Momenten. Man möchte diesen Zustand ändern, man fühlt sich nicht wohl mit diesen verschiedenen Wahrnehmungen, die man hat.

Um diese Gefühle wieder in Einklang zu bringen, wenn man glaubt, eine falsche Entscheidung getroffen zu haben (um mal bei einem Beispiel zu bleiben), muss man sein Verhalten ändern oder seine Einstellung dazu, damit beides wieder zusammen passt. Das ist allerdings ein sehr weites Feld, ich wollte es nur mal umreißen.

dorfglucke
dorfglucke 20.04.2017

nie gehört... „Rote Wangen“-Emoticon„Tränen lachen“-Emoticon Du bist nicht allein! „verrückt“-Emoticon

arthur
arthur 21.04.2017

Ich glaube, ich kann das, was @susanne45 schon gut erklärt hat, ein bisschen illustrieren:

Etymologie (Herkunft des Begriffs) „Kognitive Dissonanz“

  • Kognitiv kommt aus dem Lateinischen. „Cognoscere“ heißt so viel wie „erkennen“. „Dis“ bedeutet „unterschiedlich“ und „sonare“ klingen.
  • In der Psychologie wird damit ein unangenehmer Gefühlszustand beschrieben, wenn gegensätzliche Gedanken, Gefühle und Wahrnehmungen zusammentreffen. Es handelt sich also um Ambivalenz.

Erklärung:

Wir müssen jeden Tag unzählige Entscheidungen treffen, kleine und große. Nicht alle stellen sich im Nachhinein als sinnvoll und gut heraus. Jeder von uns kennt „Kognitive Dissonanz“. Und jeder von uns redet sich Situationen infolgedessen automatisch schön, um sie zu reduzieren und wieder ein positives Gefühl zu bekommen.

Beispiele für Kognitive Dissonanz

Supermarkt

Man hat den Einkauf im Supermarkt erledigt und will zur Kasse. Drei sind geöffnet, überall steht eine Schlange. Wir überlegen und wählen eine aus. Dann sehen wir, dass es an den beiden anderen schneller voran geht. Wechseln ist nicht mehr sinnvoll. Andere waren schneller. Das finden wir unangenehm. Unsere Wahl war schlecht.

Um das zu „verarbeiten“ fangen wir an, uns die Situation schön zu reden. Wir rechtfertigen unsere Entscheidung, diese Kasse ausgesucht zu haben und erklären uns, dass ein paar Minuten länger zu warten, nicht tragisch ist.  Das reduziert die erlebte „Kognitive Dissonanz“.

Kinder

Wer sich „aus Liebe“ für eigene Kinder entscheidet, merkt bald:

Babys plärren, schreien, machen sich voll und brauchen dauernd irgendetwas. Man kriegt keinen Schlaf mehr, die Frau will keinen Sex und Ausgehen ist auch passé. Dafür hat man jetzt Arbeit non-stop und ist „Familie“. Super… Kinder kosten ein Vermögen, sind undankbar, quengeln, als Jugendliche stellen sie Ansprüche, sind frech, respektlos und unsagbar nervig. Mit Pech machen sie Schulden, nehmen Drogen oder scheitern in der Schule. Oft genug möchten Eltern sie einfach nur zusammenstauchen…

Das erzeugt Kognitive Dissonanz. Diese Gefühle sind gesellschaftlich nicht akzeptiert. Darf man als Elternteil denken: „Hätte ich doch bloß nie Kinder bekommen und mein Leben so vergurkt?“ – Eher nicht.

Also redet man sich das Kinder haben schön: Kinder zu haben, ist sooo toll. Sie bereichern das Leben, man hinterlässt etwas, wenn man stirbt, sie sind ein nie endender Quell purer Lebensfreude.

Smartphone-Kauf

Angenommen man hat sich gerade für ein neues Smartphone entschieden und eine Menge Geld investiert. Man ist glücklich mit der Entscheidung. Dann liest man in einem Bericht, dass die Kamera schlechter ist als gedacht und das Gerät völlig überteuert. Zum Zurückgeben ist es zu spät. Also redet man sich ein, dass man ja eh nicht so oft Fotos damit macht, weil man eine Digicam hat, dass das Gerät aber von XYZ ist und eine supergute Marke. Dass es immer Leute gibt, die meckern müssen, dass man mit der Bedienung aber prima klarkommt und in zwei Jahren kauft man eh ein neues Gerät.

Berufswahl

Eigentlich will A. Musik studieren. Sie spielt mehrere Instrumente, singt, hat Talent. Aber Familie, Freunde und Bekannte sind entsetzt und raten zu „etwas Vernünftigem“ mit guter Basis. Wieso wirst du nicht Lehrerin für Musik, Mathe und Physik? A. lässt sich überreden. Im Referendariat merkt sie, dass das nichts für sie ist. Sie arbeitet nicht gern mit Kindern. Sie leidet, wenn diese ohne Lust vor ihr sitzen und sie träumt eigentlich nur von ihrer eigenen Musik. Im Schulalltag ist sie überfordert, und sie hasst jede Sekunde.

Jetzt hat sie aber schon Jahre ins Studium gesteckt. Also berichtet sie Eltern, Familie und Bekannten, dass es ein toller Tipp war, denn so kann sie mit Musik richtig Geld verdienen und hat dank endloser Ferienzeiten und Halbtagstätigkeit genug Zeit für ihre eigene Musik…

Wir ertragen Kognitive Dissonanz nicht lange. Es gibt nur zwei Umgangsweisen damit:

  • Schön reden
  • Veränderungen durchführen

Aber der Mensch ist ein Gewohnheitstier…

Anzeige

© 2024 werweiss.de